"Der kleine Tag" 
Es war einmal ein kleiner Tag. Er lebte dort, wo alle Tage leben, bevor sie auf die Erde kommen, und wo sie nachher bleiben, wenn die Nächte sie wieder von der Erde verscheucht haben. Jeder Tag kommt nur ein einziges Mal auf die Erde und nie wieder. Jeder Tag ist einmalig. Und so freute sich der kleine Tag schon riesig auf den Tag, an dem er auf die Erde kommen durfte. Es war der 23. April im nächsten Jahr - noch so lange hin! Staunend lauschte der kleine Tag den Berichten der anderen Tage, wenn sie des Nachts von der Erde zurückkamen. So hörte der kleine Tag von der Erfindung des Feuers, von der Entdeckung Amerikas, von einem grauenhaften Erdbeben, von einem Frieden, den die Völker nach langer Kriegszeit geschlossen hatten.


Und ihm war klar: An seinem Tag sollte etwas ganz Besonderes geschehen, denn schließlich wollte er in die erste Reihe der Tage:
"Erste Reihe spitzenklasse, zweite Reihe ohlala, dritte Reihe ganz passabell, vierte Reihe - naja!"
Und der kleine Tag war sich sicher, dass etwas gang ganz Großes geschehen würde, wenn er auf die Erde kam. So träumte er unaufhörlich, und es fiel ihm immer schwerer, seinen großen Auftritt abzuwarten.
      

Und dann, ja dann ist es endlich soweit. Der kleine Tag  kam zur Erde und zuerst sah er Menschen, die lustlos durch die Straßen hasteten und sich über den regnerischen Tag beschwerten: Ein abscheulicher Tag! Ja, die Sonne, dachte der kleine Tag, wo war sie? Und er bat ganz inständig um ein paar Sonnenstrahlen, und der Wind blies die Wolken hinfort und die Sonne konnte ihre Strahlen zur Erde schicken. Als nächstes fand sich der kleine Tag auf einem Schulhof wieder. Ein Mädchen, umringt von Freunden, hatte Geburtstag und einen kleinen Hund geschenkt bekommen. Der kleine Tag dachte: Endlich jemand, der sich über mich freut, weil ich heute der Höhepunkt seines Jahres bin. Und dann sah er einen älteren Herrn und eine alte Dame an einer Baustelle. Nicht zu glauben, aber die beiden kannten sich aus ihrer Jugend und hatten sich nach vielen Jahren dort wiedergetroffen. Der kleine Tag freute sich für die alten Herrschaften. Anschließend beobachtete er ein Mädchen und seinen Vater. Die Gitarrenklänge des Mädchens sorgten dafür, dass sich Vater und Tochter wieder näher kamen.

   

Wie schön, sagte sich der kleine Tag. Am Nachmittag sah der kleine Tag, wie ein junger Mann und ein hübsches Mädchen durch einen Park gingen. Der junge Mann sah dem Mädchen in die Augen, sagte "Ich hab dich lieb" und gab ihr einen Kuss. Dem kleinen Tag wurde ganz warm vor Freude. Als es schon dunkel wurde befand sich der kleine Tag an einem See. Eine Familie machte dort ein Picknick und freute sich darüber, dass sie solch einen schönen Tag zusammen verbrachten.

   

Doch bald musste der kleine Tag zurück zu dem Ort, an dem alle Tage leben, denn es wurde Nacht. Die anderen Tage waren schon ganz neugierig auf die Erlebnisse des kleinen Tages. Und er berichtete von Sonnenschein, Liebe, Geburtstag, Freude. Doch die anderen Tage lachten ihn aus: Sonnenschein, Liebe, Freude, Geburtstag - das war doch gar nichts!!! Der kleine Tag zog sich traurig zurück, nur der geheimnisvolle dunkle Tag redete ihm gut zu. Erst ein Jahr später, als der nächste 23. April von der Erde zurückkam, war auch der kleine Tag wieder glücklich. Der 23. April berichtete von seinem Tag auf der Erde: Überall wurden Feste gefeiert, die Menschen seien fröhlich gewesen und hätten gesungen und getanzt, es habe Feuerwerk gegeben - und das zu Ehren des 23. Aprils im letzten Jahr. Auf der ganzen Welt habe es im letzten Jahr kein Verbrechen gegeben, alle Menschen seien glücklich gewesen, und deshalb sei der 23. April nun weltweit ein Feiertag. Die anderen Tage waren sehr erstaunt und der kleine Tag - ja, der kleine Tag war einfach nur glücklich.

   
Diese wunderbare Geschichte vom "Kleinen Tag" haben Frau Meißner und Frau Borggräfe mit Kindern der Klassen 4 der Musical - AG über ein halbes Schuljahr eingeübt. Am Donnerstag gab es am Abend eine Aufführung für die Eltern der Viertklässler, am Samstag eine Aufführung für die Besucher unseres Schulfestes. Alle Besucher waren ganz begeistert und unglaublich gerührt von dem schönen Gesang der Kinder - so manch einer brauchte tatsächlich ein Taschentuch.
Ganz lieben Dank an dieser Stelle an Frau Meißner und Frau Borggräfe und auch an unsere großartigen Viertklässler, die in der Musical-AG über sich hinausgewachsen sind und uns so einen wunderbaren "kleinen (großen) Tag" beschert haben.