"Was macht den Reichtum einer
Gesellschaft aus? Wirtschaftliche Macht? Politische Sicherheit? Oder kulturelle
Vielfalt? Es ist von jedem etwas. Dennoch: Eine Gesellschaft besteht aus
Menschen. Und sie sind es, die das Wohl einer Gesellschaft prägen – und zwar in
allen wichtigen Lebensbereichen.
Um nichts anderes geht es bei
Inklusion: Jeder Mensch erhält die Möglichkeit, sich vollständig und
gleichberechtigt an allen gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen – und zwar
von Anfang an und unabhängig von individuellen Fähigkeiten, ethnischer wie
sozialer Herkunft, Geschlecht oder Alter.
Inklusion ist also kein Expertenthema. Es ist ein Thema, das
die Zustimmung aller erfordert und deshalb gesamtgesellschaftliche Bedeutung
besitzt. Einen wichtigen Meilenstein markiert die UN-Behindertenrechtskonvention,
die in Deutschland im Jahr 2009 in Kraft trat. (Aktion Mensch, Internetquelle
1)
rote Punkte = Menschen ohne
Beeinträchtigungen
grüne, blaue und gelbe Punkte = Menschen mit
Beinträchtigungen
Quelle:
http://www.tag-der-inklusion.de/images/1b-die-neue-grafik-inklusion-kopie-kopie.jpg
Die
UN-Behindertenrechtskonvention:
"Im Dezember 2006 hat die
Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) das Übereinkommen über die Rechte
von Menschen mit Behinderung verabschiedet. Ziel der UN-Konvention ist es, ihnen
die Teilhabe an allen gesellschaftlichen Prozessen zu garantieren. Dieses
Menschenrecht in den Alltag umzusetzen ist nun Aufgabe der UN-Mitgliedsstaaten:
Seit März 2007 sind sie dazu aufgerufen, den Vertrag zu unterschreiben und damit
die Rechte von Menschen mit Behinderung durchzusetzen" (Internetquelle 2).
Deutschland tat dies 2009.
Mit der neuen Änderung des Schulrechtsgesetztes
hat nun jedes Kind, mit und ohne Behinderung, das Recht eine Regelschule (Grund-
bzw. weiterführende Schule) zu besuchen. Um die Kinder für dieses Thema zu
sensibilisieren, ist es wichtig dieses explizit im Unterricht zu
thematisieren.
Inklusion in der Schule -
Schülerinnen und Schüler sensibilisieren
Einige Kinder haben bisweilen
vielleicht noch keine Erfahrungen mit beeinträchtigten Menschen gemacht. Dies
führt häufig dazu, dass eine Distanz zu Menschen mit Beeinträchtigungen
aufgebaut wird. Durch die aktive Auseinandersetzung mit dem Thema "Inklusion"
und "Menschen mit Beeinträchtigungen" sollen die Schülerinnen und Schüler
Andersartigkeit als etwas Normales erleben, denn schließlich ist jeder von uns
irgendwie anders, jeder hat unterschiedliche Stärken und Schwächen - sonst wäre
unsere Gesellschaft ja auch ziemlich eintönig und langweilig. Die Kinder sollen
die Chance bekommen Andersartigkeit kennenzulernen und vor allem auch ihren
Nutzen erkennen. Dies geht am besten, wenn man Menschen und ihre verschiedenen
Lebensumstände kennenlernen und nachvollziehen kann und das wiederum kann man
erst dann, wenn man sich selbst einmal in die Lage verschiedener Menschen
versetzt und sich mit ihrer Situation auseinandersetzt.
Genau das war
das Ziel der Unterrichtsreihe "Ich, du und die Anderen - Miteinander leben,
voneinander lernen", welche im Rahmen des Sachunterrichts mit der Klasse 3c
unter Anleitung von Frau Rössel durchgeführt wurde.
Hier ging es genau darum:
Mauern oder auch Berührungsängste abzubauen und die Kinder für neue Erfahrungen
und Einblicke zu öffnen und sie so auch sensibel für andere Lebensumstände zu
machen. So hatten die Kinder die Chance ihr Leben einmal aus vier
unterschiedlichen Perspektiven, auf eine ganz andere Art und Weise,
wahrzunehmen. Aus der Perspektive von Menschen...
• ... mit
Sehbeeinträchtigungen
• ... mit Hörbeeinträchtigungen
• ... mit
körperlichen Beeinträchtigungen
• ... mit emotionalen Beeinträchtigungen
(wie z.B. Hyperaktivität, Autismus etc.)
Darüber hinaus haben die
Schülerinnen und Schüler, dank der von Aktion Mensch kostenlos zur Verfügung
gestellten Hausaufgabenheften, eine Vielzahl von darüber hinaus reichenden
Informationen zum Thema zu erhalten. Sie erfuhren bspw. wie blinde Menschen
Fußball spielen können, mit welchen Hilfsmitteln Menschen mit körperlicher
Beeinträchtigung dennoch in der Lage sind ihren Alltag weitestgehend
selbstständig zu meistern (wie z.B. durch hoch- und herunterfahrbare
Waschbecken), dass es die Paralympics gibt und noch vieles mehr.
Im
folgenden Abschnitt soll nun aufgezeigt werden, welche Erfahrungen die Kinder im
Rahmen der einzelnen Untereinheiten sammeln durften:
1) Ich sehe so, wie du nicht siehst
In dieser Einheit ging es um
Menschen mit Sehbeeinträchtigungen. Dazu haben die Kinder einen Stationenbetrieb
durchlaufen, in welchem sie mit Hilfe der Grauen-Star-Brille (Foto)
nachempfinden konnten, wie Menschen im Endstadium die Welt sehen. Mit Hilfe von
Küchen- und Toilettenpapierrollen (Foto) konnte das Krankheitsbild des
"Röhrendblicks" nachempfunden werden. Einfache Aufgaben, wie das Treppensteigen,
wurden so zur Herausforderung. Weitere Heraus-forderungen, wie das Bezahlen,
ohne etwas zu sehen, das Ertasten von Alltagsgegenständen und das Erfühlen von
geprickelten Formen (Foto), mussten im Rahmen dieses Stationenbetriebes
gemeistert werden.
Auch die Blindenschrift (Braille-Schrift) war ein Thema.
Die Kinder lernten in dieser zu schreiben und diese zu lesen (natürlich nur mit
Hilfe des Braille-Alphabets und ihren Augen). Das erfühlen dieser war uns jedoch
unmöglich. Dafür ist der Tastsinn bei sehenden Menschen nicht gut genug
ausgeprägt. Hier wurde den Kindern klar, welche besondere Leistung Menschen mit
Sehbeeinträchtigung erbringen. Wir können dies nicht.
2) Ich höre so, wie du nicht hörst
In dieser
Einheit standen Menschen mit Hörbeeinträchtigungen im Vordergrund. Nachdem die
Kinder durch ein Experiment erfahren haben, wie schwierig es ist, seinen
Gegenüber, ohne Worte benutzen zu dürfen, nach seinem Namen zu fragen, kam
schnell die Idee auf, sich durch Zeichen zu verständigen. So erarbeiteten sich
die Kinder das Fingeralphabet (zu vergleichen mit unseren Buchstaben des
Alphabets) und die Gebärdensprache (einzelne Zeichen stehen für ganze Wörter
oder Ausdrücke) und wendeten dieses an. Im folgenden ein kleiner
Gebärdensprachenlehrgang ;-)
Sonne
Freunde
Entschuldigung
mein
ich
dein
du
was?
Name
Und hier eine ganze Frage:
( Dein
Name
was?) = Wie
heißt du?
3. Ich bewege mich so, wie du dich nicht
bewegst
In dieser Einheit konnten die Kinder sehr vielfältige
Erfahrungen sammeln. Denn das Spektrum von Menschen mit körperlichen
Beeinträchtigungen ist groß. Es reicht von Rollstuhlfahrern, Menschen mit
Lähmungen bis hin zu Menschen mit fehlenden oder fehlgebildeten
Gliedmaßen.
Im Rahmen dieser Einheit erfuhren die Kinder, wie es
ist...
... sich im Rollstuhl fortzubewegen (auch in den Pausen)
... Dinge mit der linken Hand (bzw.
Nicht-Schreib-Hand) zu tun (schneiden, ausmalen, Zähneputzen etc.)
... ohne Arme zu schreiben (mit den
Füßen)
... und ohne Arme das
Frühstück aus dem Tornister zu holen oder einen Turm aus Bauklötzen zu bauen
(ohne Foto)
4. Ich fühle so, wie du
nicht fühlst
In dieser Einheit standen Menschen im Vordergrund, deren
Beeinträchtigungen eher "im Kopf" stattfinden, wie dies zum Beispiel bei
Menschen mit Autismus der Fall ist. Diese erleben ihre Umwelt auf eine ganz
andere Art und Weise. Sie erleben bspw. Angstzustände in für uns normalen
Situationen, wie etwa beim Einkaufen, oder sie können Gefühle anderer Menschen
nicht erkennen und habe auch Schwierigkeiten ihre eigenen Gefühle zu zeigen. Das
Autismusspektrum ist sehr groß, sodass hier nur einige mögliche Ausprägungen
genannt sind. Häufig haben Menschen mit Autismus aber auch ganz besondere
Fähigkeiten, wie z.B. ein sehr gutes sozusagen fotografisches Gedächtnis, sodass
sie sich detailliert an Ereignisse erinnern können, die möglicherweise schon
Jahre zurück liegen. Mit Hilfe einer Geschichte über einen Jungen namens David,
der an Autismus leidet, haben die Kinder Einblicke in sein Leben gewonnen und
ihn verstehen und seine teilweisen seltsamen Reaktionen (bellen wie ein Hund,
Ohren zuhalten und summen oder einfach nur laut schreien) nachvollziehen
gelernt. Um die Erlebnisse von David praktisch nachvollziehbarer zu machen,
wurde ein kleines Experiment durchgeführt: Die Kinder sollten einem Vortrag der
Lehrerin über Haie zuhören, während im Hintergrund eine CD lieft mit
verschiedensten und ziemlich lauten Alltagsgeräuschen (Geschirrklirren,
vorbeifahrende Züge, knarrende Tür etc.). Einige Kinder beschwerten sich nach
kurzer Zeit, dass es ja unmöglich sei sich auf den Vortrag zu konzentrieren,
andere gaben bereits nach kurzer Zeit auf und wieder andere versuchten
angestrengt, so viele Informationen wie möglich, trotz der lauten Umgebung,
filtern zu können. Nach diesem Experiment konnten die Kinder nachvollziehen,
warum David zum Beispiel beim Einkaufen in einer vollen Einkaufsstraße sich
kauernd auf den Boden setzt, sich die Ohren zuhält und vor sich hin summt oder
sogar schreit. Er nimmt die Umweltgeräusche einfach viel lauter wahr und kann
gezielte Reize, wie z.B. die Worte der Mutter, die mit ihm redet, nicht
herausfiltern. Es kommt zu einer sogenannten Reizüberflutung. Einigen Kindern
ging es bei diesem Experiment wahrscheinlich genauso. Jana beschrieb die
Situation sehr schön mit den Worten: "In meinem Kopf da war es ganz
schwindelig".
Durch einen erneuten kleinen Versuch (5 Minuten ruhig liegen,
ohne sich zu bewegen) sollten die Kinder erfahren, wie es sich anfühlt, seinen
Bewegungsdrang unterdrücken zu müssen. Dadurch sollten die Kinder verstehen, wie
sich bspw. Kinder mit ADHS fühlen, die ja nun mal einen erhöhten Bewegungsdrang
haben.
Im Rahmen dieser Einheit haben die Kinder auch erfahren wie es ist,
wenn der Körper nicht das tut, was man gerne möchte. Wenn man eine kurvige Linie
nachfahren muss und dabei aber nur auf das Spiegelbild gucken darf, wird einem
bewusst wie schwierig dies wird und welch ein blödes Gefühl es ist, wenn die
Hand einfach nicht das macht, was man möchte. Kinder oder Menschen mit
motorischen Schwierigkeiten geht es häufiger so. Der Kopf weiß ganz genau, was
er will (z.B. eine Treppe hoch gehen), aber der Körper kann die Bewegung nicht
richtig ausführen (es kommt beim Treppensteigen zum Stolpern).
Ich hoffe
mit dieser Reihe etwas in den Köpfen der Kinder bewegt zu haben. Ich hoffe sie
sind offener geworden, was die Unterschiedlichkeit von uns Menschen angeht und
gleichzeitig auch sensibler, da sie nun besser nachvollziehen können, wie sich
Menschen mit bestimmtem Beeinträchtigungen fühlen und welche Bedürfnisse sie
haben. Denn in jeder Einheit wurde neben den vielen praktischen Teilen
(Experimenten) auch darüber nachgedacht, welche Hilfsmittel nötig sind, um
diesen Menschen ein möglichst barrierefreies Leben zu ermöglichen. Unter diesem
Aspekt wurde auch unsere Umwelt (die Straßen, Innenstädte, Einkaufszentren,
Bahnhöfe, Wohnungen etc.) betrachtet und gemeinsam nach Optimierungen gesucht,
um dem zu Anfang genannten Ziel "Jeder Mensch erhält die Möglichkeit, sich
vollständig und gleichberechtigt an allen gesellschaftlichen Prozessen zu
beteiligen – und zwar von Anfang an und unabhängig von individuellen
Fähigkeiten, ethnischer wie sozialer Herkunft, Geschlecht oder Alter" gerecht
zu werden.
Quellen:
http://www.aktion-mensch.de/inklusion/was-ist-inklusion.php?et_cid=28&et_lid=86206
[17.04.2014]
http://www.aktion-mensch.de/inklusion/un-konvention.php
[17.04.20